Die Orgel

... in der Erlöserkirche

Den Einweihungsgottesdienst hat Hans Kandert 1961 auf einem Orgelpositiv begleitet. Das ist eine kleine Orgel ohne Pedal. Es fehlen dadurch die tiefen Basstöne im Gesamtklang. 

Die Gemeinde hielt Ausschau nach einem größeren Instrument. In Frankfurt wurde sie fündig. Zu einem guten Preis konnte sie die Orgel von der Lukasgemeinde erwerben. 
Sie wurde von der Firma Förster und Nikolaus erbaut, verfügt über zwei Manuale, Pedal und zehn Register. Am Erntedankfest, 6. Oktober 1974, wurde sie feierlich im Gottesdienst eingeweiht. Seither sorgen die Organistinnen und Organisten mit ihrem Orgelspiel für eine abwechslungsreiche Gestaltung im Gottesdienst und bei Konzerten.

Das Instrument Orgel wird nicht ohne Grund als „Königin der Instrumente” bezeichnet. Die Vielfalt der Klangfarben und die verschiedenen Spielweisen lassen einen immer wieder neu staunen. Dazu kommt die wunderbare Technik, die in einer Orgel verbaut ist. So werden in der Orgel der Erlöserkirche alle Ventile unter den Pfeifen mechanisch vom Spieltisch aus gesteuert. 

Es ist eine Kunst, dass dies ohne großen Kraftaufwand für die Finger machbar ist. Ebenso sind die einzelnen Pfeifen zu bewundern. In dieser Orgel findet man Pfeifen aus Holz und aus einem Metallgemisch aus Zink und Blei. 

Je nach Zusammensetzung des Metalls verändert sich die Klangfarbe der Pfeife. Die meisten Teile sind handgefertigt und bedürfen einer steten Pflege, damit auch in Zukunft die wunderbaren Töne der Orgel durch den Kirchenraum klingen können.

Wolfgang Böhm für die Chronik der Erlöserkirche

Organist Kandert
Bildrechte Archiv der Erlösergemeinde
„Das war eine große Feier“ 

Bei der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche in Offenhausen 1961 spielte Hans Kandert die Orgel. 
Ein Interview mit einem Zeitzeugen.
Herr Kandert, waren sie aufgeregt, als die Erlöserkirche eingeweiht wurde?
Kandert: Ja! Wir waren alle sehr begeistert und sehr, sehr stolz auf unsere neue, eigene Kirche. Das war eine große Feier. Wir hatten ja nur ein „Positiv”. So nennt man eine kleine Orgel ohne Bässe. Das war vielleicht ein mickriges Ding. Ich bin selbst ja kein großer Organist, aber eine gute Orgel macht schon einen Unterschied aus.

Die ersten evangelischen Gottesdienste sollen ja sehr imposant gewesen sein!
Kandert: Ich habe ja Orgel gespielt, deswegen habe ich nicht so viel von dem Gottesdienst mitbekommen. Aber die Freude unter den Leuten habe ich gespürt. In Offenhausen bei Neu-Ulm gab es ja bis nach dem Krieg nur ganz wenige Evangelische. Die meisten kamen ja als Flüchtlinge - so wie ich im Juli 1945 aus Siebenbürgen. 

Wie sind Sie denn zum Orgelspielen nach Offenhausen gekommen?
Kandert: Ich hatte gehört, dass die Stelle dort vakant sei. Ich konnte schon Orgel spielen, davor war ich in Leipheim und Reutti Organist. 
Im Ulmer Münster habe ich beim Domkantor Unterricht bekommen – das eigentliche Spielen habe ich mir aber schon in Siebenbürgen selbst beigebracht. Ich bin mit meinem ganzen Idealismus dann nach Deutschland gekommen und wurde dort abgestempelt - als Flüchtling und als Evanglischer. Das waren lauter Faustschläge für mich. Aber davon habe ich mich nicht abbringen lassen. 

Was war schlimmer: Flüchtling oder evangelisch? 
Kandert: Flüchtling war ein Schimpfwort. Sie haben uns „Huraflüchtling” genannt. Als ausgebildeter Lehrer wurde mir aber schon bald nach meiner Ankunft eine Stelle als kommissarischer Schulleiter in Weißenhorn bei Neu-Ulm angeboten. Weil ich eine katholische Kriegswitwe geheiratet habe und wir ihren dreijährigen Sohn dann evangelisch erzogen haben, sagte man zu mir in der Schule, dass so etwas nicht sein dürfe. Deswegen sage ich: Flüchtling zu sein war sehr schlimm, evangelisch zu sein war noch schlimmer. 

Wie hat sich das noch geäußert?
Kandert: Ein Beispiel: An der Volksschule in Weißenhorn hatte sich ein Elternbeirat gegründet. Ein sehr katholischer Kirchenmaler hatte sich dort als Chef hervorgetan. Die erste Frage, die mir von den Eltern dort gestellt wurde: Sind sie katholisch oder evangelisch? Ich kannte diese Art des Umgangs aus meiner Heimat nicht. 
Dort hatten wir in einem 3000 Seelen-Dorf sechs verschiedene Kirchen: evangelisch, reformiert, römisch-katholisch, griechisch-katholisch, orthodox und noch eine jüdische Synagoge. Alle haben friedlich miteinander gelebt. Es hat mich befremdet, dass man als Erstes fragt, ob jemand katholisch oder evangelisch sei. 

Wie sehen Sie die Situation heute?
Kandert: Die jungen Leute und Kinder sind so aufgeschlossen! Zu meiner Zeit als Lehrer habe ich nachmittags den Schülern Singunterricht gegeben. Und dann kamen sie eines Tages, es war der 6. Januar, und haben dreistimmig in meinem Wohnzimmer als Heilige-Drei-Könige gesungen, evangelische und katholische Kinder zusammen. Das war das Schönste. 

Interview: Nadja A. Mayer (Quelle: Sonntagsblatt Bayern, Nr. 20 vom 15. Mai 2011, S. 18)